F84.5

Montag, 3. August 2020

Kriterium Kommunikation

Ich schreibe jetzt mal frei heraus, ohne die Zuhilfenahme von Literatur. Gelungene Kommunikation setzt so einiges voraus. Ich muss zunächst mal fähig sein, dem anderen zuzuhören und die non- und paraverbalen Kommunikationsmittel richtig einschätzen bzw. einordnen. Ich muss Gesichtsaudrücke interpretieren, ich muss verstehen, warum jemand villeicht gerade laut, leise, schnell oder langsam spricht. Auch inhaltlich muss ich mich auf das Gesagte fokussieren, ich sollte ja eine inhaltlich passende Rückmeldung geben. Weiters muss ich auch, wenn zum Beispiel mehrere sprechende Leute in einem Raum sind, die anderen ausblenden, obwohl ich sie vielleicht teilweise gut hören kann. Um eine adäquate Antwort zu geben, muss man sich auch in den anderen hineinversetzen können, seine Perspektive einnehmen können und man sollte einschätzen können, ob das Gesagte eine Aufforderung ist, eine reine Information oder ob es vielleicht gar nicht ernst gemeint ist. Zudem muss ich eventuell bildliche Sprache und Redewendungen verstehen.

Ein Mensch aus dem Autismus-Spektrum hat mit dem einen oder anderen hier Geschilderten eventuell Probleme. Manche können Mimik und Gestik nicht richtig einschätzen, manche können gewisse Gefühle, die ausgedrückt werden, wie z. B. Wut, Freude etc. nicht richtig zu- oder einordnen. Andere verstehen bildliche Sprache nicht und nehmen alles wörtlich und ernst. Oft sind sie rein auf der Informationsebene und können nicht in die Vielschichtgkeit kommunikativer Prozesse eintauchen. Viele können ein Gespräch mangels Interesse nicht aufrechterhalten und Small Talk ertragen viele sowieso schon überhaupt nicht. Wenn das Gegenüber weiß, welche Spezialinteressen der betreffende autistische Mensch hat, wird es ein wahrscheinlich leichter sein, ihn zum Sprechen zu bewegen.

Ich finde, dieses Kriterium ist sehr schwer abzugrenzen von dem Kriterium des sozialen Umgangs (Interaktion). Das Begrüßen und Verabschieden ist etwas, dessen Notwendigkeit und Funktion ein Autist eventuell nicht nachvollziehen kann. Das ist einerseites eine Beeinträchtigung in der sozialen Interaktion, aber auch der Kommunikation. Kommunikation ist ja IMMER Teil einer sozialen Interaktion, außer ich rede mit meiner Wand, was immerhin konstruktiver ist, als mit einem nicht zu vernachlässigenden Anteil der Menschheit, die bei der Verteilung von Intelligenz irgendwo anders gewesen zu sein scheint. Aber lassen wir das.

Die Kommunikation dreht sich bei unserem Sohn jedenfalls hauptsächlich um die Dinge, die seinen Spezialinteressen entsprechen. Kommunikationsaufnahme - auch so eine Sache - geschieht oft durch (An)Schreien. Wenn man nicht schnell genug reagiert, kann das gleich in ein "Drama" ausarten. Wenn ich heimkomme, werde ich oft nicht begrüßt, sondern gleich über Rohre, Schrauben etc. "zugetextet" bzw. was ich alles machen soll (Rohre stecken, Löcher bohren, Schrauben etc.).

Man kann jedenfalls festhalten: Asperger-Autisten können verbale Kommunikation weitgehend "normal" nutzen, d. h., man kann grundsätzlich Gespräche mit ihnen führen. Am besten geht dies wohl auf der Sach- und Informationsebene, am leichtesten mit einem Thema, das ihren Interessen entspricht. Die soziale bzw. kommunikative Kompetenz, auch mal zuzuhören und zu antworten (oder gegenzufragen), wenn man etwas extrem öde und langweilig findet, zu erlernen, ist für viele Asperger-Autisten wohl härteste Arbeit. Das Interesse richtet sich mehr auf Gegenstände und Details (sofern den Interessen entsprechend) als auf den Menschen bzw. das Gegenüber.

Montag, 6. Juli 2020

Das Schaferl schläft oder ist wach

Ich blättere eine dieser unsäglichen Werbeblätter durch. Dabei stoße ich auf ein Gerät, das Kindern Wach- und Schlafzeiten beibringen soll. Zuerst denke ich, es sei wieder so ein typisches "Zeug, das keiner braucht". Aber für ein autistisches Kind ideal. Nachdem verschiedene Methoden bereits erfolgreich waren, wie z.B. die Sanduhr, ist auch die Anzeige des schlafenden oder wachen Schafes hilfreich. Die Sanduhren sind super, aber es hat einfach wieder einen Wechsel gebraucht. Bevor das Schaf nicht wach wird, stehen die Kinder nicht auf, und das ist für die eigenen Nerven und den eigenen Schlaf sehr förderlich. Wenn das Schäfchen schläft, akzeptieren die Kinder, dass sie sich hinlegen müssen ohne Diskussion oder Gegenrede. Bei unserem Aspie funktioniert das besonders gut. Also durchaus ein brauchbares Teil, dieses Gerät.

Dienstag, 30. Juni 2020

Kriterium Spezialinteressen

Verstehen, was Asperger-Autismus ist, tut man dann am besten, wenn man einen kennt. Und doch ist jeder sehr verschieden. Gemeinsam haben sie die Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion. Hinzu kommen außerdem Spezialinteressen und stereotype Verhaltensmuster.

Asperger-Autisten sind durchschnittlich (manchmal auch überdurchschnittlich) intelligent und haben keine klinisch relevante Sprachentwicklungsverzögerung. Sie sehen aus wie ganz normale Menschen, man sieht ihnen die „Behinderung“ nicht an.

Mein Sohn Elijah interessiert sich nicht sonderlich für den Menschen an sich. Er interessiert sich für das Objekt, und da blickt er vor allem auf einzelne Details. Das ist seine Welt. Im konkreten Fall besteht diese aus Rohren, Schläuchen, Kabeln, Schrauben, Platinen, Werkzeug, elektrischen Geräten, allen möglichen technischen Mechanismen usw.

Hier beginnen für mich auch schon die Schwierigkeiten. Ich bin in diesen Dingen nämlich nicht kompetent und meine größten Interessen bestehen nicht auf diesem Gebiet. Durch Elijah habe ich einiges gelernt, aber leider stehe ich oft an, weil ich ihm die Dinge nicht erklären kann. Ich weiß nicht, wie irgendwelche Kleinbauteile heißen, wie sie funktionieren usw.

Im Baumarkt fühlt der Kleine am wohlsten. Geschäfte für Kinderspielzeug spielen, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Wer sich im Baumarkt gut auskennt, würde in Elijah sofort einen Freund finden.

Manches versuche ich herauszufinden, vieles überfordert mich. Oft habe ich keine Lust zum Hämmern, Schrauben und Stecken. Aber das ist nunmal das, womit sich mein Sohn den ganzen Tag beschäftigt. Deshalb spielen diese Tätigkeiten auch eine große Rolle in meinem Leben. Irgendwann wird mich Elijah überholen. Dann wird er die Dinge mir erklären und nicht umgekehrt.


Elijah-Regenrinne-2

Elijah-Regenrinne-1
An dieser rostigen Regenrinne war er so interessiert, dass ich beim nächsten Spaziergang abermals dorthin spazieren musste. Er hat das danebenliegende Teil natürlich anmontiert.

Elijahs-sicherer-Bereich
Hier hat er sich einen "sicheren" Bereich geschaffen.

Auch mit normalen Spielzeug wird gespiel, sofern es sich mit seinen Interessen deckt.
Auch mit normalem Spielzeug wird gespielt, sofern es sich mit seinen Interessen deckt.

Montag, 8. Juni 2020

Wrong-Planet-Syndrom

Die Welt und der Asperger-Austist scheinen nicht so gut zusammenzupassen. Deshalb richtet er sich seine Umgebung so her, dass er sich möglichst wohl fühlen kann. Das wiederum ist für "Normalos" befremdlich. Sie halten den Betreffenden für einen Freak, einen Weirdo. Der durchschnittliche Mensch kann die Faszination für einzelne Gegenstände, wie zum Beispiel Kabel, Rohre, Schläuche und Siphone mit dem Autisten nicht teilen. Für den Aspie ist das aber beruhigend, es ist seine Welt. Und weil das aber so seltsam auf andere wirkt und die anderen das so komisch finden, fühlt er sich so, als wäre er auf dem falschen Planeten. Mehr dazu folgt.

Mittwoch, 20. Mai 2020

Asperger-Syndrom

Das Asperger-Syndrom hat eine wichtige Rolle in meinem Leben übernommen. Nein, ich bin kein Austist. Warum es dennoch überaus wichtig für mich ist, folgt noch.

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